Eine frühzeitige Vorhersage der Spermaqualität und der Produktionskapazität von Jungebern, die für den Einsatz in der künstlichen Besamung bestimmt sind, ist für die Zuchtunternehmen und Besamungsstationen aus mehreren Gründen von entscheidender Bedeutung. Zum einen sind die Kapazitäten in den KB-Stationen und auch den vorgeschalteten Quarantänen begrenzt, und gerade die Koordination der Quarantänen ist in der Regel genau durchgetaktet. Zum anderen sind Quarantäne, Eingliederung und Ebertraining zeit- und kostenaufwändig. Und nicht zuletzt müssen die Tiere bzw. das von ihnen produzierte Sperma festgelegten Qualitätsstandards entsprechen.
Untersuchungen von Schulze et al. (2014) weisen darauf hin, dass bei etwa 37% der Jungeber, die für den Einsatz auf einer Besamungsstation vorgesehen sind, zum Zeitpunkt der ersten Spermaentnahmen (Einstallen in den Produktionsstall mit einem Alter von ca. 7 Monaten) die Ejakulate nicht den Mindeststandards entsprechen. Durch die Anwendung der FertiBoar-Technologie vor der Lieferung dieser Tiere in die Quarantäne der KB-Station ließe sich dieser Anteil auf etwa 3,7 % senken.
Die von PIC zusammen mit IFN Schönow entwickelte FertiBoar-Technologie ermöglicht die Vorhersage der Spermaqualität. Dazu werden Ultraschallbilder zusammen mit einem sogenannten neuronalen Faltungsnetzwerks genutzt, das mittels künstlicher Intelligenz funktionelle Gewebemerkmale über Graustufenparameter beschreibt. Diese Informationen fließen in einen Klassifizierungsalgorithmus ein, der die Eignung der Eber in Bezug auf die Spermaqualität vorhersagt. Grundlage für das resultierende Computerprogramm bildeten Ultraschallbilder der Hoden von 1.500 Ebern sowie die Qualitätsparameter ihrer Ejakulate. Die praktische Anwendung ermöglicht weiteres ‘Lernen’ und so die Weiterentwicklung und ständige Verbesserung.
Die KB-Stationen, die FertiBoar-getestet Eber erhielten, lieferten Samenproben an ein Referenzlabor, das die Qualität der Ejakulate bewertete. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wurden Eber als KB-tauglich eingestuft, wenn von maximal fünf getesteten Ejakulationen mindestens zwei aufeinanderfolgende Ejakulate von ausreichender Qualität waren.
Die Ergebnisse zeigen, dass FertiBoar in über 90% der Fälle die Eber mit der besseren Spermaqualität korrekt vorhersagen kann. Zudem nimmt die Genauigkeit des Modells mit der Anzahl der analysierten Eber zu.
Die Fertiboar-Technologie wird seit Juni 2021 erfolgreich in einem Ebervermehrungsbetrieb der PIC in Deutschland eingesetzt. Die ersten mit dieser Technologie getesteten Eber wurden im September 2021 ausgeliefert. Nach einer Phase der Prozess- und Logistikoptimierung wird das System derzeit schrittweise in allen Ebervermehrungsbetrieben der PIC in Europa eingeführt.
Mit Hilfe von FertiBoar kann ein Zuchtunternehmen wie PIC die Effizienz in der Weitergabe des genetischen Fortschritts deutlich erhöhen, da gezielt die Tiere ausgewählt werden können, die sowohl einen hohen Zuchtwert haben als auch mit hoher Wahrscheinlichkeit Ejakulate mit guter Samenqualität produzieren. Für die KB-Stationen sinken die Quarantänekosten pro Eber aufgrund der höheren Effizienz bei der Nutzung der (begrenzten) Plätze und erhöht sich die Gesamtproduktion, da der Bestand an produktiven Ebern besser vorhersehbar ist.
Und letztendlich profitiert auch die Ferkelerzeuger, da sie Spermaportionen von genetisch hochwertigen Besamungsebern mit konstant hoher Qualität erhalten.