Lang lebe die Sau – Nutzungsdauer nachhaltig und erfolgreich beeinflussen

Wirtschaftlichkeit und Tierschutz optimal in Einklang zu bringen, das ist eine unserer derzeitig vorrangigen Herausforderungen, um die Akzeptanz der Nutztierhaltung zu erhöhen. In der öffentlichen Wahrnehmung steht Langlebigkeit in engem Zusammenhang mit Gesundheit und Wohlbefinden eines Tieres.

Bereits 2016 wurde die Lebensleistung von Zuchtsauen im Rahmen des DLG-Nachhaltigkeitsberichts als möglicher Indikator zur Beurteilung der Nachhaltigkeit in der Schweinehaltung diskutiert.

Nach Erhebungen westfälischer Erzeugerringe für das Wirtschaftsjahr 20/21 verließen Sauen ihrer Mitgliedsbetriebe nach durchschnittlich 6,1 Würfe den Betrieb, siehe Jahresbericht des Erzeugerring Westfalen. In den USA ergaben PigCHAMP-Auswertungen für denselben Zeitraum ein mittleres Abgangsalter von 3,6 Würfen.

Lang lebe die Sau – positiv für den Betriebserfolg

Eine lange Nutzungsdauer unser Sauen wollen wir nicht allein aus Tierwohlgründen. Vielmehr haben Sauen mit einem langen produktiven Leben einen wichtigen positiven Effekt auf die Wirtschaftlichkeit unserer Herden.

Ein langes und produktives Leben bedeutet

  • mehr Ferkel je Sauenleben
  • geringere Remontierungskosten
  • optimale Herdenstruktur und dadurch ein höherer Anteil an “Leistungsträgerinnen”, also Sauen mit vier und mehr Würfen
  • stabiler Gesundheitsstatus der gesamten Herde durch weniger einzugliedernde Jungsauen

Woran lässt sich die optimale Nutzungsdauer festmachen?

Es bieten sich verschiedene Parameter an, mit denen sich die Nutzungsdauer beurteilen lässt. Am einfachsten ist es sicherlich, sich Wurfgröße und/oder verkaufte Ferkel je Sau und Jahr anzuschauen und zu ermitteln, bei welcher Nutzungsdauer, sprich Wurfnummer bei Abgang, wird das Maximum erreicht.

Doch bedeutet die höchste Leistung auch den besten wirtschaftlichen Erfolg? Wollen wir dies wissen, müssen wir neben Abferkelrate, Anzahl lebend geborener Ferkel, Saugferkelverlusten und Sauenverlusten je Wurfnummer die Kosten, variable und fixe, berücksichtigen. Dann sieht das Bild schon deutlich anders aus, wie untenstehendes Beispiel zeigt. Hier wurde ein Betrieb mit Babyferkelverkauf ökonomisch analysiert.

Tabelle 1: Ökonomische Analyse eines Betriebes mit Babyferkelverkauf

Wurfnr. bei Abgang12345678
Lebend geborene Ferkel/Wurf11,6411,8812,0112,0612,0512,0211,9811,92
Verkaufte Ferkel/Sau/Jahr22,8622,8822,9422,9222,8622,7822,7022,60
Ertrag über Gesamtkosten, €/Ferkel-5,062,344,395,195,465,585,565,47
nach Gruhot et al, 2017

Die Anzahl lebend geborener Ferkel nimmt ab dem fünften Wurf ab, die Anzahl verkaufter Ferkel je Sau und Jahr bereits nach dem dritten. Den höchsten Ertrag über Gesamtkosten – und das ist ja der entscheidende Punkt – ergibt sich bei Remontierung nach dem sechsten Wurf. Sinkende Leistungen zusammen mit höheren Futterkosten durch steigenden Erhaltungsbedarf älterer Sauen kompensieren den Vorteil geringerer Remontierungskosten je Ferkel bei (noch) längerer Nutzungssdauer.

Richtig fatal für die Wirtschaftlichkeit sind TKV-Sauen. Denn von diesen fehlt nicht nur der Schlachtkörpererlös, sondern auch der Erlös der Ferkel, die diese tragenden Sauen geboren hätten. Zusätzlich erhöht sich die Remontierungsrate und verschlechtern sich Abferkelrate und Anzahl Würfe je Sau und Jahr.

Dass dieser Faktor der TKV-Sauen nicht unerheblich ist, zeigen die in den vergangenen Jahren zu beobachtenden Sauenverluste. In der EU lagen diese laut InterPIG-Report im Jahr 2021 bei acht Prozent, bei teils deutlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern. So ist die Verlustrate z.B. in dänischen Sauenherden in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und liegt derzeit bei über 15%. In den USA ergibt sich mit einem Anstieg in den vergangenen fünf Jahren von knapp 11 auf inzwischen rund 15 % ein ähnliches Bild.

Bei näherer Betrachtung der Abgangsgründe, siehe Abb. 1, fällt auf, dass weniger als die Hälfte der Sauen aus Altersgründen ausscheidet. D.h., dass mehr als die Hälfte der Sauenabgänge aufgrund von Faktoren erfolgen, die eine optimale Nutzungsdauer negativ beeinflussen.

Abb. 1: Abgangsgründe von Sauen

nach Greshake, 2022

Doch welche Faktoren sind es, die die Langlebigkeit entscheidend beeinflussen?

Die Ursachen für eine über- oderdurchschnittliche Nutzungsdauer sind vielfältig, beginnend mit der Auswahl der richtigen Genetik für den Betrieb über das passende Management, die Herdengesundheit bis hin zum Haltungssystem.

Robuste Genetik

“Leistungsstarke Genetik” bedeutet heutzutage nicht allein hohe Produktionsleistung. Wie eingangs dargelegt (Tabelle 1), muss für eine wirtschaftliche Langlebigkeit das Gesamtpaket stimmen.

Einerseits sollte die Genetik eine gute Fruchtbarkeit und auch Effizienz mitbringen, damit die Wurfleistungen stimmen, die Sauen das Futter optimal ausnutzen, eine gute Milchleistung haben oder auch zügig in die Rausche kommen.

Andererseits müssen auch die Voraussetzungen für eine hohe Langlebigkeit gegeben sein. Dazu zählen gute Fundamente, ist doch Fundament nach Alter und Fruchtbarkeit mit der häufigste Abgangsgrund. Während Alter, Fruchtbarkeit und ggf. auch Wurfqualität zur Leistungsselektion gezählt werden können, so gehören Abgänge aufgrund von Fundamentproblemen zu den “unfreiwilligen Abgängen”. Diese sollten einen möglichst geringen Anteil ausmachen, um gezielt das Leistungsniveau der Herde verbessern zu können.

Bringt die Genetik die Voraussetzung für Langlebigkeit mit, dann haben Sie die Möglichkeit, gezielt auf Leistung zu selektieren und so das Niveau Ihres Bestandes zu steigern. In Abb. 2 sind die Abgangsgründe von PIC Camborough-Sauen denen anderer Genetiken gegenübergestellt.

Abb. 2: Abgangsgründe von Sauen: PIC Camborough vs. andere Sauengenetiken

nach Greshake, 2022

Camborough-Sauen gehen zu mehr als der Hälfte aufgrund von Alter ab. Bei anderen Sauengenetiken sind dies nur etwas über 40%. Dies schlägt sich auch in einem deutlich kürzeren Sauenleben nieder: Camboroughs gehen im Schnitt nach sieben und mehr Würfen ab, andere Sauengenetiken schaffen weniger als sechs Würfe. Sie möchten weitere Details zu dieser Auswertung? HIER finden Sie den ausführlichen Artikel dazu.

Da dieser Aspekt wichtig für Wirtschaftlichkeit und Tierwohl ist, wird von züchterischer Seite ständig daran gearbeitet die Prognose der Langlebigkeit zu verbessern.

Fundamentbewertung mit Hilfe Künstlicher Intelligenz

In der Jungsauen- und Eberselektion hat sich die Fundamentbewertung durch erfahrene und geschulte Selekteure über viele Jahre bewährt, und es ist nachgewiesen, dass Tiere mit einer besseren Fundamentbewertung eine höhere Lebenserwartung haben. Mit den fortschreitenden technischen Möglichkeiten hat auch hier inzwischen die Künstliche Intelligenz (KI) Einzug gehalten. Mit Hilfe von KI können Kamerabilder, auf denen die Bewegungsabläufe von Jungsauen erfasst wurden, objektiv ausgewertet werden – effizienter, genauer und zuverlässiger als der Mensch es kann. Der Ansatz ist, durch Messung von Schrittlänge und Fortbewegung anhand vieler aufgezeichneter Punkte am Körper, siehe Video unten, die Lebensspanne eines Schweins vorhersagen zu können und die Bewegungsabläufe über einen Mobilitätsindex in die Langlebigkeitsprognose einzubeziehen. Seit Herbst letzten Jahres kommt bei PIC diese Technik zum Einsatz und wird derzeit auf den Nukleusbetrieben weltweit implementiert.

Video: Bewertung der Bewegungsabläufe mit Hilfe künstlicher Intelligenz

PIC, 2022

Sie wollen mehr zum Thema Künstliche Intelligenz in der Schweinezucht wissen? HIER finden Sie weitere Informationen.

Sauenrobustheit als komplexes Merkmal im Zuchtindex

Wie wir wissen, werden die Weichen für den zukünftigen Zuchterfolg auf der obersten Stufe, dem Nukleus, getroffen. Wir wissen aber auch, dass ein spezialisierter Nukleusbetrieb nicht den durchschnittlichen Bedingungen in der Praxis entspricht. Und auch werden in einem normalen Praxisbetrieb in der Regel Kreuzungssauen (F1) gehalten und keine Reinzuchttiere. Also wäre es doch sehr hilfreich, wenn Daten zur Langlebigkeit von F1-Sauen aus der Praxis in die Zuchtwertschätzung einfließen würden. Und genau diesen Ansatz fährt PIC seit Sommer 2022. Seit 2020 werden phänotypische und genomische Daten von Tausenden von Reinzucht- und Kreuzungssauen in kommerziellen Praxisbetrieben gesammelt, um die Langlebigkeit von Sauen neu zu definieren. Vier übergeordnete Bereiche kennzeichnen seitdem die Robustheit einer PIC-Sau: Fundament, Fruchtbarkeit, Verendung bzw. Euthanasie sowie Erbdefekte. Mehr zum neuen Merkmal Sauenrobustheit in PIC’s Zuchtwertschätzung finden Sie HIER.

Passendes Management: Das Jungsauen-Management bestimmt den zukünftigen Erfolg

Besonders teuer sind Jungsauen, die den Betrieb vor dem dritten Wurf verlassen, siehe Abb. 3. Die höchste Kostendegression je Ferkel tritt auf, wenn die Sauen ihren zweiten Wurf absetzen. Die Kostensenkungen nach dem zweiten Wurf fällt tendenziell bescheidener aus, ist aber immer noch vorhanden. In Abhängigkeit von den Eingangsvariablen, wie beispielsweise den Anschaffungskosten einer Jungsau, Futterkosten und der Anzahl aufgezogener Ferkel/Wurf, macht sich diese Investition nach dem 2.-4. Wurf bezahlt. Die Kostendifferenz steigt, wenn Sauen später abgehen. Die Steigerungsrate nimmt jedoch mit zunehmender Anzahl an Würfen ab, daher macht es Sinn den 6. oder 7. Wurf als Grenzalter für den Abgang in Erwägung zu ziehen.

Abb. 3: Return on Investment der Remontierung

PIC Gilt & Sow Management Guidelines 2021

Ein gutes Jungsauen-Management wird häufig unterschätzt, dabei ist es ein entscheidender Faktor für die Lebensleistung von Sauen und liefert die Jungsauen mit dem höchsten Potential. Für einen optimalen Start in ihr produktives Leben müssen die jungen Sauen zum Zeitpunkt der ersten Besamung alle gesetzten Zielgrößen erreichen, siehe Abb. 4.

Abb. 4: Zielgrößen für den optimalen Erstbelegezeitpunkt einer PIC Camborough®

PIC Technical Service

Die in Abb. 4 genannten Zielgrößen beziehen sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse und großangelegte Versuche. So hat zum Beispiel ein umfangreicher Feldversuch, bei dem rund 38tausend Camborough®-Jungsauen über zwei volle Jahre, bis zum dritten Wurf, verfolgt und ausgewertet wurden, ergeben, dass

  • Tiere mit einem späteren Eintritt der ersten Rausche (Alter > 195 Tage) eine niedrigere Verbleiberate und weniger gesamt geborene Ferkel je belegter Jungsau über die ersten drei Würfe haben,
  • Jungsauen mit einem höheren Gewicht bei Erstbelegung tendenziell höhere Abgangsraten und infolgedessen eine geringere Lebensleistung und höheren Kosten je produziertem Ferkel bedeuten.

Ältere und schwerere Jungsauen bei Erstbelegung bringen gleich zwei Nachteile mit sich: Zum einen bedingt ein höheres Alter zusätzliche Futtertage zum anderen haben schwerere Tiere einen höheren Erhaltungsbedarf. Für jeweils 20 kg zusätzliches Gewicht sind beispielsweise 150 g zusätzliches Futter je Tier und Tag zu veranschlagen, und das über ihre gesamte Lebenszeit.

Diese Erkenntnisse finden Sie auch in PIC’s Empfehlungen zum optimalen Erstbelegezeitpunkt wieder: Mit dem optimalen Erstbelegezeitpunkt die Leistungen steigern

Zusammenfassung

  • Die Langlebigkeit von Sauen ist ein komplexes Merkmal und wird durch viele Variablen wie Genetik, Management und Gesundheit beeinflusst.
  • Eine Verbesserung der Langlebigkeit geht in der Regel mit einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit einher, da die mit der Remontierung verbundenen Kosten gesenkt werden.
  • Basis für eine langlebige und produktive Sauenherde sind die Jungsauen. Die Belegung von Jungsauen mit optimalem Gewicht, optimalem physiologischem und chronologischem Alter sind entscheidende Voraussetzungen für eine hohe Lebensleistung und helfen Produktionskosten zu senken.
  • Künstliche Intelligenz sowie umfangreiche Daten aus der Praxis verbessern die Genauigkeit der Zuchtwertschätzung auf Langlebigkeit.